Reinkarnation aus Sicht der Kirche 1
Reinkarnation aus Sicht der Kirche
Urwissen der Menschheit und urchristlicher Glaube
"Was der Mensch sät, das wird er ernten". Ist dies wirklich so? Die Anwendung dieses Satzes auf das eigene Leben könnte zu einem entscheidenden Schlüssel werden, um es besser verstehen und vieles zum Guten ändern zu können.
Auch Jesus von Nazareth und die Urchristen lehrten dieses "Gesetz von Saat und Ernte", wie in dieser Ausgabe des Theologen nachgewiesen wird. Das setzt voraus, dass es bereits ein "Leben" vor diesem irdischen Menschenleben gab und auch ein "Weiterleben" nach diesem irdischen Leben gibt. Damit ist auch die Spur gelegt zu dem Urwissen der Menschheit über die Möglichkeiten der Reinkarnation. Und wer dieser Spur folgt, dem wird ein scheinbares "Geheimnis" nach dem anderen enthüllt.
Alles ist dabei von Bedeutung: Jede Tat, jedes Wort, jeder Gedanke, jede Empfindung. Was wir tun, reden, denken und empfinden, ist die Saat in den Acker unseres Lebens. Und keine Energie geht dabei verloren. Demnach geht eine "Saat" entweder noch in diesem Leben auf oder später in den jenseitigen Welten oder in einem weiteren irdischen Leben. Haben wir Positives "gesät", wird dementsprechend wieder Positives auf uns zukommen. Haben wir Negatives "gesät", fällt dies meist nicht sofort auf uns zurück. Stattdessen bekommen wir immer wieder Hilfen, um umzukehren und diese Saat zu "bereinigen"; und um wieder gut zu machen, was noch möglich ist, damit wir eben nicht einst selbst ernten müssen, was wir an Negativem verursacht haben. Dazu gehören Fingerzeige und Warnungen, deren Botschaften uns z. B. helfen, einen drohenden Schicksalsschlag rechtzeitig zu verhindern. Das ist die Barmherzigkeit Gottes. Schlagen wir diese jedoch aus, werden uns unsere negativen Ursachen gleich einem Bumerang früher oder später selbst treffen.
Jesus über vergangene Inkarnationen: "Heute, wenn ihr euer Ebenbild seht, freut ihr euch. Wenn ihr aber eure Bilder seht, die vor euch geworden sind, wie viel werdet ihr ertragen?" (Thomasevangelium, Vers 84)
Das Ziel des christlichen Weges ist das Ende der Inkarnationen in menschliche Körper und die Rückkehr aller Seelen und Menschen in ihre geistige Heimat, die sie einst verlassen hatten.
1.TEIL:
SAAT UND ERNTE, REINKARNATION
Der Journalist: Der katholische und der evangelische Glaube kennen keine Wiederverkörperung bzw. Reinkarnation. Sie waren evangelischer Pfarrer und glauben heute an Reinkarnation. Wie ist das gekommen?
Der Theologe: Ich wollte als Christ leben und Jesus von Nazareth nachfolgen, und ich glaubte zunächst, die Lehre von der möglichen Reinkarnation sei nicht christlich. Als Theologiestudent und später als Pfarrer wurde mir aber auch immer mehr bewusst, wie groß die Spannungen und Widersprüche zwischen der evangelischen Lehre und Jesus von Nazareth sind, wie ich ihn aus der Bibel her kannte [siehe dazu Der Theologe Nr. 1]. Eine Zeitlang habe ich versucht, beides miteinander zu vereinbaren, doch eines Tages sah ich mich vor die Entscheidung gestellt: entweder lutherisch oder christlich. Ich entschied mich dafür, den Pfarrerberuf niederzulegen und bin kurze Zeit später aus der Kirche ausgetreten. Heute arbeite ich als Freier Theologe bei Bestattungen und Hochzeiten, und ich lebe in einer urchristlichen Gemeinschaft, deren Anliegen das Leben nach den Zehn Geboten und der Bergpredigt des Jesus von Nazareth ist.
Und im Laufe der Zeit hatte ich nun auch Schriften über Jesus und das Urchristentum außerhalb der Bibel kennen gelernt [mehr dazu unten im 2. Teil]. Demnach war Jesus und den ersten Christen auch die Reinkarnation bzw. Wiederverkörperung bekannt. Das Ziel des Weges, den Jesus von Nazareth lehrte, ist aber nicht, dass die Seelen der Menschen immer wieder neu in menschliche Körper inkarnieren, sondern dass sie wieder "nach Hause" zurückkehren - in ihre ewige Heimat in der geistigen Welt, die sie einst verlassen hatten. Dies steht im Gegensatz zu manchen östlichen Religionen und Weltanschauungen, bei denen als Ziel die Auflösung aller Formen angestrebt bzw. gelehrt wird [geistige Hintergründe, warum sich die Seele nicht mehr auflösen kann, siehe u. a. hier]. Dort wird auch geglaubt, dass eine menschliche Seele zum Beispiel in ein Tier oder in eine Pflanze inkarnieren kann. Gemäß der urchristlichen Lehre ist die Inkarnation einer menschlichen Seele aber nur in einen neuen menschlichen Körper möglich. Und so wird es übrigens auch bei den islamischen Drusen gelehrt.
Der Journalist: Die Möglichkeit der Reinkarnation gilt als eine logische Folge eines Glaubenssatzes, der lautet: "Was der Mensch sät, das wird er ernten." Demnach kann eine "Ernte" dieses Lebens die Folge einer "Saat" eines vorherigen Lebens sein. Und was in diesem Leben gesät wird, kann unter Umständen erst im nächsten oder in einem der nächsten Leben aufgehen. Ist dieser Glaube so richtig wiedergegeben?
Der Theologe: Ja. Doch Säen und Ernten geschieht auch innerhalb nur eines irdischen Lebens. Grundsätzlich glaube ich, dass es keine Zufälle gibt. Ich glaube, dass alles, was auf uns zukommt, eine Ursache hat.
Der Journalist: Hat dieser Glaube praktische Folgen?
Der Theologe: Ja. Es gibt zum Beispiel Lebenssituationen, die schmerzen. Ich frage mich dann: Warum hat mich das getroffen? Und: Was kann ich ändern, damit es sich nicht wiederholt? Wenn ich Ereignisse in meinem Leben als Wirkungen auf bestimmte von mir selbst gesetzte Ursachen verstehe, lerne ich mich besser kennen und übernehme die Verantwortung für alle Situationen meines Lebens. Darauf kommt es zunächst an. Und die nächsten Schritte sind: Das Beste daraus machen und Veränderungen einleiten. Das klingt in dieser allgemeinen Form natürlich sehr einfach. Wer damit Erfahrungen hat, weiß jedoch, dass er sich eine solche positive Lebenseinstellung manchmal auch erst mühsam errungen hat.
Der Journalist: Nun gibt es völlig unterschiedliche Lebenssituationen und Schicksale. Die einen leben im materiellen Wohlstand, andere müssen täglich ums Überleben kämpfen. Einer fühlt sich glücklich, ein anderer elend. Gilt diese Art zu leben, von der Sie eben gesprochen haben, für alle Situationen?
Der Theologe: Wenn es nicht so wäre, müsste man fragen: Bin ich für mein Schicksal nicht selbst verantwortlich, wer dann? Kann ich meinem Nächsten die Schuld geben? Oder Gott? Oder einer dunklen Schicksalsmacht?
ES GIBT KEIN GEHEIMNIS GOTTES
Der Journalist: Viele Menschen denken so. Andere sprechen von einem "Geheimnis Gottes". Auf die Frage nach dem Warum gebe es oft keine letzte Antwort.
Der Theologe: So habe ich es sinngemäß in den Kirchen immer wieder gehört. Dort wird vieles einem "Geheimnis Gottes" zugeschrieben. Demnach lassen sich für bestimmte Situationen zwar schon menschliche Ursachen finden; manchmal handle es sich aber angeblich um ein so genanntes "unergründliches Geheimnis". Zur Bewältigung einer Not oder eines Schicksals werden dann vielfach äußere Handlungen angeboten, zum Beispiel so genannte "Sakramente" oder Zeremonien, was aber überhaupt nichts bringt. Und der mystische Weg zu Gott im eigenen Inneren ist in der Kirche nicht mehr bekannt. Dieser Gott ist aber die Quelle der Kraft in jedem Menschen, und Er ist in allen Lebensformen gegenwärtig und Er hat keine Geheimnisse. Er hilft uns auch in jeder Situation, und man kann Ihm im innigen Gebet jedes Problem anvertrauen, weil Er dafür die Lösung kennt. Mystiker sprechen manchmal davon, dass Er uns näher ist als unsere Arme und Beine.
Der Journalist: Es gibt also für alles eine Erklärung oder einen Sinn?
Der Theologe: Ja. Doch die Kirche hat die Menschheit seit ca. 1700 Jahren in Unwissenheit und Verzweiflung geführt. Und anstatt demütig einzugestehen, dass ihre Priester und Pfarrer den Zugang zu Gott und zum Urwissen der Menschheit über das Schicksal der Welt und der einzelnen Menschen verloren haben, wird heute einfach hochmütig behauptet, niemand könne mehr wissen als die Kirche. Und man bezeichnet die eigene Ignoranz dann dreist als "Geheimnis Gottes". Und immer wenn Propheten oder weise Menschen in den letzten 1700 Jahren das "Geheimnis Gottes" lüften wollten, ging man aggressiv dagegen vor, um dies zu verhindern. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Und damit versucht die Kirche praktisch auch, Gotteserfahrungen zu verhindern, die den Menschen die Augen öffnen würden. Doch es gibt kein "Geheimnis Gottes", nur ein dunkles Geheimnis der Kirche. Wer auf die Nähe Gottes in seinem Herzen vertraut, der kann Ihn ganz zwanglos erfahren. Wer Ihn jedoch in Kirchen aus Stein oder gar in einer Hostie sucht, wird Ihn niemals finden. Gott ist zum Beispiel im Leid die innere Hilfe, und Er zeigt auch im äußeren Leben immer einen nächsten Schritt auf.
Der Journalist: Haben Sie das so erlebt?
Der Theologe: Ich weiß es teilweise von eigenen Erlebnissen und ich habe es auch von anderen gehört, die Schlimmeres erlebten als ich. Vereinfacht gesagt machte ich mir immer bewusst: In jedem Negativen ist auch das Positive enthalten, in allem ist die Gegenwart Gottes. So habe ich immer wieder die Schritte heraus aus negativen Situationen gefunden.
EINE GRUNDREGEL DER PHYSIK
Der Journalist: In allen Lebenssituationen das "Gesetz von Saat und Ernte" anwenden, in allem Negativen das Positive finden und mit der Hilfe Gottes das Leben immer neu meistern. Das klingt so einfach, als ginge es dabei um eine einfache Grundregel der Naturwissenschaft. Doch Sie haben ja selbst angedeutet, dass es praktisch nicht immer so einfach ist.
Der Theologe: Dabei wäre es meist gar nicht so schwer. Das Gesetz von Ursache und Wirkung finden wir ja auch als Prinzip von Aktion und Reaktion in der Physik: Jede Aktion bringt eine Reaktion hervor, und jedes Geschehen wurde durch ein voraus gegangenes Geschehen bewirkt. Keine Energie geht dabei verloren. Was bei einfachen physikalischen Versuchen leicht nachweisbar ist, braucht man z. B. nur in den Bereich unserer Gedanken und Gefühle zu übertragen, denn diese sind ebenfalls Energie. Auch Gedanken und Gefühle können so als Wirkungen auf voraus gegangene Ursachen verstanden werden und gleichzeitig als neue Ursachen, die wiederum Wirkungen hervorbringen.
Dies ist auch Teil der christlichen Lehre. In der Bibel - bei Paulus - heißt es sogar wörtlich: "Irret Euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten" (Brief an die Galater 6, 7). Mit anderen Worten: Was jemand tut oder unterlässt, aber auch, was er spricht, denkt, fühlt und empfindet, hat Folgen. Und von der anderen Seite her gesehen: Alles, was einem geschieht, ist eine Folge von dem, was er vorher irgendwann verursacht hat, und sei es durch die meist unterschätzte Kraft seiner Gedanken.
Deshalb führt die schlichte und einfache Frage "Warum?" immer weiter: Warum ist dies und jenes passiert? Oder warum ist zum Beispiel das eine misslungen, etwas anderes gelungen? Welche Gedanken und Empfindungen hat jemand in eine bestimmtes Tun hinein gelegt?
Was es nicht immer einfach macht, sind oft vielfältige Ursachen, die alle einen bestimmten Anteil an einer Wirkung haben. Hier erfasst man vielleicht anfangs erst eine von mehreren Ursachen. Doch geht man nicht darüber hinweg, was sich Tag für Tag im eigenen Leben ereignet, kann man allmählich den ganzen Komplex aufschlüsseln und aufarbeiten. Denn auch hier gilt: Es gibt keinen Zufall. Warum ist mir also zum Beispiel heute dieser Mensch begegnet oder warum ist dieser Anruf gekommen oder warum denkt ein Mitmensch heute anders als vor einer Woche oder warum ist die Tasse vom Tisch gefallen usw. usw.?
SELBSTACHTUNG
Der Journalist: Besteht nicht die Gefahr, dass jemand, der nach diesem Prinzip lebt, an sich selbst verzweifelt oder sich andauernd schlecht macht?
Der Theologe: Dann würde er etwas grundlegend missverstehen. Denn wer diesen Weg konsequent geht, lernt sich zuerst besser zu verstehen. Wichtig ist dabei, sich selbst nicht zu verurteilen, wenn man Negatives bei sich entdeckt, das man zuvor nicht wahrgenommen hatte. Denn wir alle haben noch unsere größeren oder kleineren Fehler. Und man könnte sagen: Wir sind hier auf der Erde, um zu lernen. Und das heißt praktisch auch: Ein Mensch wird glücklicher, wenn er die Ursachen, die zu einem "Unglück" führten, findet und aufarbeiten kann; und wenn er dieses Verhalten dann nicht wiederholt, auch wenn er zwischenzeitlich sprichwörtlich einmal oder öfter "durch die Hölle" musste. Nur wer bereit ist, Verantwortung für seine Fehler zu übernehmen, auch wenn er die Hintergründe oft noch nicht überblickt, kann sie auch Schritt für Schritt abbauen. Und es zählt zu den Erfahrungen auf diesem Weg, dass einem immer der jeweils nächste Schritt gezeigt wird. Denn alles auf einmal könnte meist gar nicht bewältigt werden. Und hier habe ich auch lernen müssen, nicht an sich selbst zu verzweifeln, geduldig auch mit sich selbst zu werden und sich auch selbst zu vergeben, wenn manches sich erst langsam besserte und nicht gleich auf Anhieb anders wurde.
Der Journalist: Könnte man das als "Selbstachtung" bezeichnen?
Der Theologe: Ja. Wenn jemand keine "Selbstachtung" hat, sich minderwertig fühlt oder in seinem Gemütszustand sehr abhängig von anderen, dann kann man auch hier fragen: Wer hat ihm die "Selbstachtung" und das "Wertgefühl" denn genommen? Oder: Wie ist er denn in diese gefühlsmäßige Abhängigkeit geraten? War nicht letztlich auch hier er selbst der Verursacher? Durch sein eigenes Verhalten und durch seine unaufgearbeiteten Schwächen?
Der Journalist: Das würde dann die Erfahrungen der Psychotherapie bestätigen, dass sich Minderwertigkeits- oder Abhängigkeitsgefühle nicht "auf Knopfdruck" abstellen lassen können. Sie müssen aufgearbeitet werden.
Der Theologe: Ja. Und es kommt auch hier auf die Ursachen an, ob es schneller geht oder eben seine Zeit dauert. Es hat ja meist mit einem oder mehreren unserer Mitmenschen zu tun, denen gegenüber wir uns z. B. innerlich unfrei fühlen. Diese Unfreiheit wäre dann hier der Schwachpunkt.
Dazu ein Beispiel: Wenn ich meinen Nächsten wegen jedes kleinen Fehlers um Vergebung bitte, dann will ich meist unterschwellig Zuspruch und Verständnis von ihm und damit eine Form von Energie. Und das ist dann das größere Problem, nicht so sehr die einzelnen Fehler; was man zum Beispiel daran merken kann, dass der andere einem diese gar nicht übel nahm.
Wer ein solches Verhalten bei sich entdeckt und merkt, dass es ihn etwa regelrecht drängt, unterwürfig auf den anderen zuzugehen, der könnte stattdessen einmal die Seele des Nächsten im stillen Gebet über Christus um Verzeihung bitten, falls es dafür wirklich einen Grund gibt. Denn letztlich kommt es nur auf die Seele an. Und gleichzeitig wird er innerlich stärker, weil er seine Minderwertigkeits- oder Zwangsgedanken zügeln konnte und sich nicht von ihnen steuern ließ.
Doch die weiterführende Frage wäre ja auch hier: Warum ist das überhaupt so gekommen? Was ist der Grund zum Beispiel einer charakterlichen Schwäche oder eines Minderwertigkeitsgefühls oder von ähnlichem? Und dieser liegt nicht immer, aber oft auch eben in dem, was wir aus vergangenen Leben mit in dieses Erdenleben gebracht haben. Eine Spur könnte zum Beispiel zu kirchlichen "Beichtspiegeln" führen, mit denen man einst drangsaliert wurde oder andere drangsaliert hat und wo einem Schuld oft eingeredet und das Selbstwertgefühl genommen wurde. Und irgendwann werden wir auf jeden Fall wieder mit allem konfrontiert, was wir noch nicht aufgearbeitet haben.
Der Journalist: Sie spielen damit an auf bestimmte Gottesvorstellungen.
Der Theologe: Ja. So hat die Vorstellung von einem "zornigen Gott" in vielen Seelen und Menschen schon unsagbar viel Schaden angerichtet.
Wer sich demgegenüber aber immer wieder bewusst macht: "Ich bin von Gott geliebt" oder "Ich bin ein Sohn, eine Tochter des Allerhöchsten", bei dem wächst ganz allmählich auch das Bewusstsein des eigenen Wertes. Je mehr man aus dieser Einstellung heraus eine Selbstachtung und innere Unabhängigkeit entwickelt, je leichter wird es auch, sich noch bestehende tatsächliche Fehler und Schwächen einzugestehen. Die nächsten Schritte sind dann: Die Wurzel finden und "bereinigen" und sich ein neues positives "Lebensprogramm" vorgeben und nach und nach verwirklichen. Ich tue das auch mit so genannten "Bewusstseinsstützen". Etwa: "Christus ist in mir. Christus ist in meinem Nächsten." Oder: "Christus hilft mir, in jedem Augenblick." Dies gilt auch für scheinbare Kleinigkeiten. Oder: "Ich möchte alleine Gott gefallen und keinem Menschen." Oder: "Was würdest Du, Christus, jetzt tun, in dieser Situation?"
Wer es so hält, der entwickelt immer mehr die Eigenschaften, die auch seinem unendlich großen inneren Wert entsprechen. Mir macht es große Freude, wenn ich auf diese Weise wieder ein kleines Stück freier geworden bin. Die dauerhaften Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass die meisten Menschen manches Negative und letztlich ihr Ego lieber behalten möchten. Dazu gehören z. B. der Hochmut, die Haltung, etwas Besonderes sein zu wollen, die Selbstüberschätzung oder der Wunsch, Macht über andere auszuüben oder eben die eine oder andere problematische Leidenschaft, die jedoch nicht frei macht, sondern im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder "Leiden" "schafft".
Es passiert auch sehr oft, dass man schwankt: Einmal möchte man sich selbst auf die Schliche kommen und frei werden, ein andermal aber wieder nicht. Auch diese Schwankungen können ein Leiden verlängern, und sie verhindern oft, dass Gott bzw. Christus einem wirklich helfen kann. Vor allem, wenn man Schwächen und Fehler längere Zeit nicht oder kaum angeht, obwohl man darum weiß, werden diese dann oft zu Einfallspforten für ein kleineres oder größeres Schicksal. Mancher zweifelt dann an der Güte Gottes, obwohl er diese oft jahrelang nicht an sich heran gelassen hat. Denn von Gott her gesehen bekommt jeder aufs Ganze gesehen die gleichen Hilfen, um sein Leben zu meistern, weil auch alle gleich wertvoll sind.
DIE HILFE GOTTES
Der Journalist: Wenn Sie sagen: "Von Gott her bekommt jeder die gleichen Hilfen", setzen Sie sich dann nicht dem Vorwurf aus, schöne Worte zu machen, die der Wirklichkeit nicht standhalten?
Der Theologe: Für viele ist Gott ein "äußeres Wesen", und sie erwarten Hilfe immer von außen. Oder sie glauben: Wenn sie z. B. beim kirchlichen Abendmahl eine Hostie zerkauen oder im Mund zergehen lassen, würde alles besser. Doch allein dadurch passiert nichts, und der äußere Vorgang nützt auch überhaupt nichts. Denn Gott ist in einem Grashalm genauso wie in einer Backoblate - ob diese nun gesegnet und angeblich verwandelt wurde oder nicht oder was auch immer. Und es würde sich ja auch nichts dadurch bessern, wenn ich beginne, auf einem Grashalm zu kauen. Denn Gott ist uns am nähesten in uns selbst. Dort müssten wir Ihn vor allem suchen, nicht im Gaukelwerk von Priestern und Theologen. Wenn ich mir dann noch bewusst mache, dass Gott auch in jedem Problem ist, in jeder Situation, in jedem Menschen, in jedem Tier, in jeder Pflanze oder in jedem Gegenstand, dann kann sich eine Kommunikation aufbauen zwischen dem Gott in mir und dem Gott um mich herum, und aus dieser Kommunikation heraus ergibt sich die Hilfe. Auf einmal weiß ich dann in meinem Inneren: "Das ist jetzt die Hilfe Gottes".
Dazu ist es auch eine Hilfe, wenn es mir gelingt, einmal still zu werden und dann die vielen unruhigen Gedanken zum Schweigen zu bringen oder sie zuvor im innigen Gebet zu Christus in mein Inneres hin zu tragen. Eine Antwort oder Teilantwort lässt sich immer dann finden, wenn jemand aufrichtig bereit ist, die Lösung für das Problem bzw. den nächsten Schritt in der betreffenden Situation zu finden. Nach dem Motto: In jedem Problem steckt auch schon die Lösung. Der Ratgeber und Helfer ist - unabhängig von möglichen äußeren Hilfen - letztlich immer in uns. Denn da ich selbst das Problem irgendwann verursacht habe, kann ich es auch selbst irgendwann wieder lösen. Gott bzw. Christus in uns ist dabei immer bereit, uns zu helfen. Er wartet immer auf uns. Man könnte die Situation mit einem Telefonhörer vergleichen, den ich nach innen auf mein Herz richte. Und ich bete "Christus in mir", und von dort, von innen, kommt dann ein Impuls, der weiter hilft.
Und wer sich damit schwer tut, der kann natürlich vermehrt auch darauf bauen, dass Gott zu uns auch durch viele andere Münder spricht. Und diese Münder sind alle um uns herum. So ergibt sich scheinbar zufällig ein Gespräch, und in diesem Gespräch sagt mir ein Nächster genau das, was mir gerade weiterhilft. Oder ich sehe - wiederum scheinbar zufällig - dies und das, und plötzlich ist mir klar: Das ist eine Antwort auf meine Frage, und ich merke es in meinen Empfindungen: Das ist für mich auch die Antwort Gottes. Man könnte auch sagen: Gott hilft allumfassend.
Davon kann aber keiner einen anderen überzeugen. Es geht darum, die Lebensregel von Saat und Ernte bei sich selbst anzuwenden und nicht bei anderen. Und auf diese Weise positive Erfahrungen zu sammeln.
Der Journalist: Warum nicht bei anderen?
Der Theologe: Wenn sich jemand Gedanken darüber macht, wie das Gesetz von Saat und Ernte bei anderen wirkt, stellt sich für mich die Frage des Motivs. Steckt vielleicht Neugier oder Sensationslust dahinter, oder spielt vielleicht sogar Zynismus eine Rolle?
Der Journalist: Ein Motiv könnte ja auch sein, dem anderen zu helfen.
ÜBER DEN ZEITPUNKT UND DIE ART DES TODES
Der Theologe: Ja. Doch wie ist das möglich?
Als evangelischer Amtsträger war ich einmal für eine Bestattung verantwortlich. Eine hochschwangere junge Frau war bei einem Raubüberfall ermordet worden; auch das Kind im Mutterleib starb. Was löste nun dieses plötzliche Schicksal bei den davon betroffenen Menschen aus? Wie konnten sie damit weiterleben? Und wie weit berührte es mich selbst? War ich überhaupt in der Lage, ein hilfreicher Gesprächspartner für die Verwandten und Freunde zu sein?
Die Frau und ihr Mörder kannten sich. Doch soweit man das zurückverfolgen konnte bzw. mir bekannt war, hatte sie ihm nichts angetan, was einen Zusammenhang zu dem Überfall hätte herstellen können. Dem maskierten Mann ging es nach eigenen Aussagen um Geld, und er wurde zum Mörder, als ihn die Frau hinter seiner Maske erkannte.
Wie ist Hilfe für alle Beteiligten möglich? Ein Ansatz dazu: Wenn wir davon ausgehen, dass die Seele des Ermordeten im Jenseits weiterlebt: Wäre es dann eine Hilfe für sie, wenn Verwandte und Freunde auf der Erde in Verzweiflung oder Hass fallen und nicht mehr aus dieser Verfassung herausfinden?
Mittlerweile kenne ich Menschen, die einen Schicksalsschlag erlitten haben und denen das Wissen um das Gesetz von Saat und Ernte und um die Reinkarnation einen wirklichen Trost gibt, auch wenn sie nicht wissen, was es im Einzelnen für eine Vorgeschichte gibt. Oder was an eigenen Ursachen zugrunde liegen mag.
Sie ahnen aber, dass alles einen bestimmten Sinn macht und dass es Zusammenhänge gibt, die sie noch nicht überblicken. Die Verwandten eines tödlich verunglückten Motorradfahrers können sich vielleicht vorstellen, dass dessen innerer Lebensplan nur bis zu dieser Zeit reichte. Und möglicherweise sei auch bereits vor dem Unglück keine gute Weichenstellung für die Zukunft erfolgt. Muss nicht sein. Kann aber sein. Keine Situation ist wie die andere.
Und der Vater eines schwer behinderten Jungen sagte mir einmal, er wäre verzweifelt, wenn er nicht an eine Ursache und an einen Sinn dieses Schicksals hätte glauben können. So aber hat er die Aufgabe, die ihm das Leben stellte, angenommen und ist mit ihr gewachsen.
Der Journalist: Hat das Schicksal immer mit früheren Leben zu tun?
Der Theologe: Wenn wir von der Reinkarnation ausgehen, dann bringt jeder Mensch bereits sein Reisegepäck aus früheren Zeiten in dieses Erdenleben mit. Und dann kommt es eben darauf an, welchen Verlauf dieses Erdenleben nimmt. Negative Ursachen, die zu einem Schicksal führen, können also auch erst in diesem Leben gesetzt worden sein. Wenn aber nicht, dann folgerichtig in einem oder mehreren der früheren. Die Ursachen oder "Eingaben" in unserer Seele würden uns an bestimmte Orte und zu bestimmten Menschen ziehen - aber immer unter den geistigen Vorzeichen, dass das Schicksalhafte oder Kausale unter den Beteiligten dieses Mal "bereinigt" wird durch gegenseitiges Einfühlen, Verstehen und Vergeben. Alle Begegnungen in einem Leben und auch der Zeitpunkt und die Art von Geburt und Tod hätten dann mit Vorleben zu tun. Und die Lebensumstände dazwischen haben natürlich auch mit dem Ziel zu tun, das sich zum Beispiel eine Seele im Jenseits für ihr nächstes Leben vorgegeben hat. So kann auch ein relativ früher Tod zu den Vorgaben der Seele im Jenseits gehören, so dass dieser also gar nicht auf eine schwerwiegende negative Ursache zurück zu gehen braucht, sondern auch im Lebensplan der Seele und des Menschen begründet liegen kann. Bemerkenswerte Untersuchungen zu den Vorleben bei Kindern (in 2600 Fällen) gibt es vom kanadischen Professor für Psychiatrie Dr. Ian Stevenson (1918-2007).
Dabei würde dann grundsätzlich gelten: Nützt die Seele im jeweiligen Erdenleben die Chancen, um von innen her glücklicher zu werden und andere glücklicher zu machen, oder fügt sie neue negative Ursachen hinzu und vergrößert damit den Komplex des Leides? Und dabei kommt es ja weniger auf die äußere Länge des Lebens an, sondern mehr auf die Qualität der gelebten Zeit.
Der Journalist: Können unter diesen Voraussetzungen auch Ereignisse im Leben eines Menschen vorausgesagt werden?
Der Theologe: Das Leben entwickelt sich nach bestimmten Vorgaben, nämlich den eigenen Eingaben, der eigenen "Saat". Doch der Mensch hat ja immer mehrere Möglichkeiten, sich zu entscheiden. Demnach könnten zwar mögliche Entwicklungen aufgezeigt werden, einzelne Ereignisse aber nicht vorausgesagt werden. Denn kein Mensch kann im Voraus wissen, wie sich jemand anderes entscheidet. Und auch im Rückblick kann man als Mensch kaum erfassen, warum zum Beispiel ein bestimmter Tod auf diese Art und zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist und warum das Schicksal keine anderen Wege gegangen ist. So umfangreich und vielfältig können die Zusammenhänge sein.
DAS PROPHETISCHE WORT
Der Journalist: Wenn der Mensch vieles kaum erfassen kann, wie würden Sie dann Ihre eigene Haltung heute verstehen? Haben Sie vieles erfasst oder eher wenig?
Der Theologe: Ein großer Teil dieser Darlegungen wurde ja im Laufe der Zeit sinngemäß durch Propheten an die Öffentlichkeit gebracht. Die Inhalte sind für diejenigen, die daran glauben, also Botschaften aus der "geistigen Welt". Die Propheten früherer Zeiten und von heute wären einmal ein Thema für eine eigene Ausgabe dieser Zeitschrift [vgl. Der Theologe Nr. 20]. Als Theologe gebe ich hier das, was ich zuvor mit Herz und Verstand prüfte, mit meinen eigenen Worten wieder. Einiges habe ich dabei auch einige Jahre lang geprüft und dabei manches ausprobiert, so dass eigene Erfahrungen hinzukamen.
Als Theologiestudent glaubte ich von einem bestimmten Zeitpunkt allerdings nicht mehr an "wahre Gottespropheten" und an "Offenbarungen" oder "Botschaften aus dem All". Theologie war für mich damals, vereinfacht gesprochen, das Studium der menschlichen Gedanken über Gott. Es gab für mich nur noch verschiedene Gottesbilder, mit denen man bestimmte Erfahrungen machen konnte. Auch Jesus von Nazareth hatte nach meinem damaligen Glauben lediglich ein bestimmtes Gottesverständnis, womit er zwar vielen Menschen helfen konnte. Doch über Gott selbst war für mich damit noch nichts ausgesagt. Ich fühlte mich während Zeiten meines Theologiestudiums als materialistisch denkender Mensch, weil mir nur das sicher schien, was sichtbar vor meinen äußeren Augen lag, und zwischen "Christ sein" und "Atheist sein" gab es für mich nicht unbedingt einen Widerspruch.
Doch die Person des Jesus von Nazareth beschäftigte mich immer wieder. Auch hatte ich Respekt vor manchen Dingen, die ich mir noch nicht erklären konnte. Doch wenn sie mich bewegten, suchte ich weiter nach einer zufrieden stellenden Erklärung und begann, dies und jenes zu prüfen. So rückte allmählich die Realität hinter der sichtbaren Welt näher.
Wovon ich hier spreche, stammt dennoch zu einem großen Teil nur aus dem gehörten "geistigen Wissen", das ich allerdings vielfach erprobt habe. Es entstammt dann also keinem inneren Einblick in unsichtbare Welten. Ich bin in dieser Hinsicht nur "Theologe", wie Kollegen auch, und ich gebe manche Informationen weiter, wie ich sie selbst erhielt. In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem auf das Buch verweisen Das ist Mein Wort. Alpha und Omega. Das Evangelium Jesu. Die Christus-Offenbarung, welche die Welt nicht kennt", Würzburg 1991; ISBN 978-3-89201-271-9 .
SPUREN DER VERGANGENHEIT
Der Journalist: Wieso ist von einer "Offenbarung" die Rede, "welche die Welt nicht kennt"?
Der Theologe: Viele Menschen wenden weder das Gesetz von Ursache und Wirkung auf ihr Leben an, noch wissen sie etwas von der Möglichkeit von Reinkarnationen. Sie stehen oft ratlos ihrem Schicksal gegenüber, ohne zu ahnen, wo die Spur zu finden ist, auf der sie dieses Leben meistern und letztlich zu einem glücklicheren und zufriedeneren Leben in der Gegenwart und in der Zukunft finden können.
Der Journalist: Führt die Spur, um das Leben zu meistern, also in die Vergangenheit?
Der Theologe: Die Vergangenheit zeigt sich früher oder später wieder in der Gegenwart, wenn sie nicht aufgearbeitet ist. Entscheidend ist also die Gegenwart.
Der Journalist: Was heißt das konkret?
Der Theologe: Wenn ich weiß, dass es für alles, was mich heute trifft, Ursachen in meiner Vergangenheit gibt, dann ist das eine Hilfe, nicht in Hader, Vorwürfe oder Selbstmitleid zu verfallen. So werden mir unter Umständen Teile meiner unbewältigten Vergangenheit bewusst, die zu der heutigen Lebenssituation beigetragen haben und ich habe die Chance, ein früheres falsches Verhalten heute zu ändern.
Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht: Finde ich die eigenen Ursachen nicht, so kann ich doch zumindest einen "Anteil" finden, den ich "bereinigen" kann, so dass es wieder aufwärts geht. Wenn Mitmenschen beteiligt sind und sie möglicherweise einen großen Anteil Schuld an der Situation haben, so gilt es dennoch, immer den eigenen Anteil zu finden. Das Vergeben, was den Schuldanteil anderer betrifft, ist eine weitere Aufgabe, auch wenn der andere noch nicht um Vergebung gebeten hat.
AN WELCHEN GOTT GLAUBE ICH ?
Der Journalist: Hat das etwas mit dem Glauben an Gott zu tun?
Der Theologe: Der Weg zu Gott geht immer über den Nächsten, indem ich mit ihm Frieden schließe; zum Beispiel, indem ich ihm verzeihe.
Wer das Gesetz von Saat und Ernte nicht kennt oder es nicht anwenden möchte, kann jedoch in Situationen kommen, in denen er stattdessen Gott für das Leid verantwortlich macht und nicht mehr an Ihn glauben kann. Wenn sich dann die Situation verfestigt oder verschlimmert, wird möglicherweise weiteres Negatives aufgebaut. Und der Betroffene fällt oft in Resignation oder Verzweiflung. Das muss nicht soweit kommen, wenn jemand die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung kennt und anwendet. Jesus von Nazareth wusste darum und auch Paulus, der einige Bücher der Bibel verfasst hat. Jesus hat nicht von einem "Geheimnis Gottes" gesprochen, wie es die Kirchen heute tun.
Der Journalist: Wenn es keine "Geheimnisse" gibt: Warum lässt Gott Leid und Not zu?
Der Theologe: Weil Gott nicht in den Willen des Menschen eingreift, sondern den Menschen "nur" einlädt bzw. eindringlich ermahnt, Seinen Willen zu tun. Man könnte auch sagen: Er greift mit der Liebe ein und braucht dazu natürlich Menschen, die diesen Seinen Willen in der Welt umsetzen. Und das läuft darauf hinaus, dass es allen gut geht und sie wieder so glücklich werden, wie sie waren, als Gott sie einst als reine Wesen schuf. Dazu möchte Er Seine "gefallenen" Kinder, die Menschen, zunächst zur Selbsterkenntnis führen, damit sie erst einmal verstehen, wer sie im Laufe der Zeit geworden sind. Daraus kann dann die Umkehr folgen, wenn jemand bereit ist, seine Belastungen bzw. sein "Sündhaftes" zu bereinigen. Gott hilft uns dabei, wir kommen Ihm dadurch näher und uns geht es besser.
Ich gehe davon aus, dass es auf Dauer gar nicht viel nützen würde, wenn Gott in den freien Willen des Menschen eingreifen würde, wenn man dies einmal theroretisch durchspielt. Bei nächster Gelegenheit würde der auf diese Weise gezwungene Mensch dann nämlich sein Fehlverhalten fortsetzen, und er würde auch nicht nach dem Weg suchen, auf dem er sich von allem Negativen befreien kann. Sehr viele schlimme Dinge müssen in ihren Auswirkungen leider wohl erst erlitten werden, bevor sie nicht mehr wiederholt werden. Das zeigen unzählige schlimme Erfahrungen der Geschichte und auch aus einzelnen Lebensschicksalen. Und leider fangen sehr viele Menschen auch erst durch eigenes Leid an, etwas in ihrem Leben zu ändern.
Der Journalist: Die Hilfe Gottes kann nach Ihren Worten ja auch von innen kommen. Warum gibt es dann so viele Menschen, die in sich keine Hilfe Gottes spüren, sondern hauptsächlich Verzweiflung, obwohl sie zum Beispiel immer wieder beten?
Der Theologe: Die Hilfe ist ja auch eine positive "Ernte" auf die "Saat" eines ehrlichen Herzensgebetes. Viele Menschen haben jedoch keine Geduld und pflügen die eigene gute "Saat" gleich wieder um, wenn sie nicht sofort Hilfe erfahren, die zum Beispiel gerade dabei war, heranzureifen. Auch kommt es darauf an, ob es ihnen wenigstens für einige Momente gelingt, einmal im Inneren etwas stiller zu werden. Oft sind es nur feine Empfindungen, aus denen sich Worte oder Bilder formen, welche den nächsten Schritt zeigen oder andeuten. Viele lassen die Hilfe Gottes aber gar nicht an sich heran geschweige denn in sich spürbar werden. Sie drehen sich mit ihren Gedanken und Empfindungen trotz ihrer Gebete weiter in ihrem Unglück und in ihren Schuldzuweisungen. Es sind dann mehr Lippengebete als Herzensgebete. Auch hilft Gott nicht immer so, wie wir wollen. Und nicht jede Hilfe ist Gottes Hilfe.
Dazu fallen mir Berichte ein, wonach Gott dem einen angeblich zu geschäftlichem Erfolg geholfen hat, während ein anderer ermordet wird, obwohl er vielleicht kurz zuvor zu Gott gefleht hat. An einen Gott, der solche Unterschiede machen würde, kann und will ich nicht glauben, und dies wäre nur ein furchtbarer Götze. Dem Schöpfergott, dem ich mich anvertraue, macht keine Unterschiede, und Er hilft in "großen" und in "kleinen" Angelegenheiten. Die angeblichen Unterschiede liegen allein im Menschen begründet.
VOM GEKREUZIGTEN CHRISTUS
Der Journalist: Sie haben vorhin von einem schwerwiegenden Schicksal gesprochen. Was haben Sie damals den Angehörigen der ermordeten Frau gesagt? Und was würden Sie heute anders sagen, wenn Sie noch einmal in diese Situation kommen würden?
Der Theologe: Ich halte es für gut, wenn bei einer solchen Abschied- oder Trauerfeier auch Menschen aus dem Verwandten-, Freundes- oder Bekanntenkreis zu Wort kommen können, falls sie das möchten und dazu in der Lage sind. In unserer Gesellschaft spricht allerdings meist nur ein Pfarrer oder anderer Redner. Damals als evangelischer Vikar verglich ich das Schicksal der jungen Frau mit Jesus von Nazareth, der unschuldig den Tod durch Kreuzigung erlitt und der sterbend rief: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" So wollte ich trösten, indem ich sinngemäß weitergab: "Auch ihm erging es nicht besser." Aber ein echter Trost ist das nicht. Denn wie viel nützt einem das, wenn man wieder glücklich und froh werden möchte, wenn man dann hört, ein anderer leidet genauso schlimm oder gar schlimmer?
Der Journalist: Die Worte von Jesus am Kreuz gehen dennoch vielen Menschen nahe.
Der Theologe: Je eindrücklicher man das Leiden von Christus vermitteln kann, so erhoffen sich gerade manche Theologen, desto eher könne das vielleicht trösten. Doch macht man sich dabei wirklich bewusst, wie es Jesus von Nazareth bei den entsetzlichsten und unverschuldeten Folterqualen wirklich erging? Oder projiziert man nur das eigene Leid, wie immer dies auch verursacht ist, nur in dieses Geschehen hinein? Das Schicksal von Jesus dient einem gemäß einer bestimmten Frömmigkeit dann vor allem als eine Art Spiegel für das eigenen Leid. Oder man sucht eben auf diese Weise eine Verbindung zu Gott, obwohl man eigentlich das Gefühl hat, Er habe einen verlassen. Eventuell heißt es auch, Gott selbst sei in Jesus gefoltert, gequält oder ermordet worden. Damit soll eine bestimmte Art zu glauben vertieft werden, dass Gott bzw. Jesus einen aus deren eigener Erfahrung heraus verstehen. Doch vielen helfen solche Gedanken nicht, und sie drehen sich weiter in ihren Schmerzen, ohne die Gründe dafür zu finden. Deshalb wird dann von Theologen noch hinzugefügt, dass Jesus später auferstanden sei, was von Betroffenen aber oft nur als Vertröstung empfunden wird. Denn es gibt ihnen wiederum nicht die Möglichkeit, hier und jetzt Hilfe oder Linderung zu erfahren, und die Verzweiflung bleibt.
Letztlich wird den Menschen von der Kirche nicht nur das Gesetz von Ursache und Wirkung verschwiegen, sondern auch, worin die Erlösung genau besteht, nämlich in der Übertragung des göttlichen Erlöserfunkens von Christus in alle Seelen und Menschen, und zwar als zusätzliche Kraft, Hilfe und Stütze .
Und man geht im Grunde genommen doch recht unbedarft mit diesem grausamen Geschehen und seiner kosmischen Bedeutung um.
Der Journalist: Was aber hat nun Jesus mit den Worten "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" gemeint?
Der Theologe: Die Lehre von Jesus ist ja sehr schlicht und klar und für jedes Kind verständlich. Was seine letzten irdischen Lebensminuten betrifft, wird allerdings eine Dimension berührt, die man nicht so leicht in menschliche Worte fassen kann und wo besonders spürbar wird: Der menschliche Intellekt verfehlt das Geschehen und man sieht nur mit dem Herzen gut. Und in diesem Sinne kann zuallererst gesagt werden: Es ist etwas Entsetzliches, was hier geschah. Und als zweites würde ich dann sagen: Diese Worte von Jesus am Kreuz sind ein Symbol für die Situation der Menschen, wie so vieles andere im Leben des Jesus von Nazareth auch.
Der Journalist: Was ist dann aber genau damit gemeint? Oder: Was ist dann der Sinn dieses Symbols?
Der Theologe: Christus wählte allein schon durch seine Inkarnation in einen materiellen Körper auf der Erde äußerlich den Weg großer Gottferne. Denn die Erde könnte man auch als den am weitesten von Gott entfernten Punkt des Kosmos bezeichnen. Und in seinem Erdenkörper selbst kam es dann zu einer weiteren negativen Steigerung: Jesus erlebte furchtbarstes Leiden, vor allem bei der Hinrichtung am Kreuz, was ja äußerlich auch als eine Steigerung der Gottferne gesehen werden kann, da Gott das Glück und die Herrlichkeit ist.
Jesus durchlitt also im Äußeren den extremsten Punkt der Gottferne, den Menschen sich selbst und anderen antun und den ein daran leidender Mensch in seiner Verzweiflung als "Gottverlassenheit" deuten kann. Natürlich ist man nie wirklich von Gott verlassen. Aber die Worte am Kreuz, unter unvorstellbaren und entsetzlichsten Schmerzen gesprochen, sind auch keine "rhetorische Frage". Die ganze Situation selbst symbolisiert die Antwort auf die Frage nach dem Warum. Die Frage ist also gestellt, und sie wird vom Ereignis selbst und seinen Umständen beantwortet.
Denn die ganze schaurige Situation zeigt auf: Dieses Leiden ist alles von Menschen gemacht, die ihrerseits Gott verlassen haben und die gegen ihren Nächsten wüten - hier gegen einen wunderbaren Menschen, der ihnen nichts angetan hat, und zwar auf bestialischste und hinterhältigste Art. Doch anstatt ihren eigenen Zustand zu begreifen, der ihnen durch das Mordopfer Jesus am Kreuz vor Augen gehalten wird, machen Menschen Gott weiterhin Gott für ihr Leiden verantwortlich, oder sie suchen eine Antwort im angeblichen Verhalten Gottes anstatt bei sich selbst.
Doch die Tragödie von Golgatha macht unmissverständlich klar: Nicht Gott hat Jesus ans Kreuz gebracht, sondern die Menschen. Das Verhalten der Menschen ist also die Antwort auf die Frage Warum. Die Menschen sind es, die ihren Nächsten in die furchtbare äußere Gottferne treiben, in Leiden und grausamen Tod, obwohl Gott Herrlichkeit und Glück ist.
Gott hat den Gottessohn also den Menschen überlassen, die ihrerseits Gott verlassen haben, und Er hat in deren freien grausamen Willen nicht eingegriffen, weil Er solches niemals tut. In diesem Sinne hat Er Jesus dieses Schicksal nicht erspart, so dass er, der Christus, solange der Spiegel für die Menschen sein wird, wie diese das Kreuz aufgrund ihrer Gottferne ebenfalls erleiden müssen.
Der Journalist: Das heißt dann: Das reale Leiden von Jesus ist ein Symbol für das Leiden der Menschen. Dazu passt dann ja auch das bekannte Wort des römischen Prokurators Pontius Pilatus angesichts der Folterungen von Jesus: "Ecce Homo", zu deutsch "Siehe, der Mensch" (Johannesevangelium 19, 5).
Der Theologe: So ist es. "Siehe, der Mensch!" So müssen die Menschen Mensch und alle Kreatur weltweit unter ihren zu Bestien gewordenen Brüdern und Schwestern leiden; und unter den Feiglingen, wie Pilatus selbst einer war, da er die Kreuzigung nicht verhindert hat; und unter denen, denen die Folter ihres Gegners noch nicht genug ist und die weiter nach der Steigerung der Folter durch den Foltertod lechzen.
"Ecce homo", siehe der Mensch - ein Symbol für die ganze Menschheit. Und so erfüllte sich auf diese Weise auch die Ankündigung des Propheten Jesaja: "Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen" (53, 4).
Im Anblick des gekreuzigten Jesus kann aber auch jeder Mensch mit noch nicht erkaltetem Herz erkennen, was diesem Menschen angetan wurde und was sich Menschen untereinander und anderen Lebewesen antun. Und sie könnten aus dieser Erschütterung heraus augenblicklich ihrem Leben eine neue Richtung geben.
Der Journalist: Kann der gequälte Jesus einem also trotzdem helfen, dass es einem selbst bald wieder besser geht?
Der Theologe: Wenn man dadurch ansatzweise das Mitfühlen lernt und sich das Herz für den Nächsten auf diese Weise mehr öffnet, dann schon.
Aber so ist es eben sehr oft nicht. Wenn jemand immer wieder auf das Kruzifix blickt und das Leid von Jesus bedenkt und dabei auch seine persönlichen Leidempfindungen vertieft, kann dies sogar dazu führen, dass sich das eigene Leiden verschlimmert, verbunden mit um sich selbst kreisendem Selbstmitleid. Ich habe in einer Wohnung einmal eine Figur des gekreuzigten Jesus hängen sehen. Auf dieses so genannte "Kruzifix" aus Holz hatte der Bewohner eigenes Blut gerieben, so dass sein Blut zum Blut der Jesusfigur wurde. Oft wenn es ihm schlecht ging, schaute er dann auf diese Figur und suchte Trost im Gebet. Mit einem solchen Verhalten setzt man sich aber der Gefahr aus, dass das eigene Leid im Selbstmitleid sich sogar so weit verfestigt, dass man nur mit allergrößter Mühe wieder davon loskommt.
Heute erscheint mir das Kruzifix mit dem sterbenden oder toten Jesus auch wie ein Symbol für ein Verharren in Leid und Elend, obwohl es einen Weg heraus gibt. Auch der Mann, von dem ich hier erzähle, sagt heute, dass er auf diese Weise letztlich keine Hilfe fand. Und von manchen Menschen wird sogar berichtet, dass ihr Körper nach einer bestimmten Zeit an den Stellen blutete, an denen die Nägel den Körper des Jesus von Nazareth durchbohrten. Möglicherweise ist das eine noch viel weitergehende Form dieser gefährlichen Identifizierung, womit keinem geholfen ist.
Doch Jesus hängt schon lange nicht mehr als Sterbender am Kreuz. Er lebt, und er will, dass wir mit ihm leben und glücklich sind. Man könnte auch sagen: Er möchte in uns auferstehen und dafür gibt er uns doch die Kraft, und diese Kraft ist in uns. Ein Symbol dafür ist z. B. eine brennende Kerze oder ein Kreuz ohne Corpus.
Der Journalist: Kreuz ohne Corpus oder Kruzifix mit Corpus. Ist das wirklich ein so großer Unterschied?
Der Theologe: Ja. Denn das Kreuz mit dem sterbenden oder toten Körper, das Kruzifix, ist ein Todeszeichen, das unbewusst eine vermeintliche Niederlage des Mannes aus Nazareth symbolisiert. Und es ist ja ein Zustand, der so bald wie nur irgendwie möglich beendet gehört. Ein "leuchtendes" Kreuz ohne Corpus wäre demgegenüber ein "Lebenssymbol", eine Art Auferstehungskreuz. Dessen Bedeutung ist dann: Auch diese grausame Hinrichtungsmethode konnte Jesus und das, wofür er einstand, nicht zur Strecke bringen. Nur der irdische Körper konnte getötet werden. Doch der Geist in Jesus, dem Christus, war stärker und ließ sich auch in dieser für uns letztlich nicht nachvollziehbaren Situation nicht beugen. Und auch uns schenkt er diese Kraft.
Und, um auf das eingangs erwähnte Beispiel anlässlich einer Beerdigung zurück zu kommen: Die frohe Botschaft des christlichen Glaubens hat nichts damit zu tun, dass es Jesus wohl noch schlechter erging als einem selbst. Und sie liegt auch nicht darin, dass ich eines Tages in den Himmel auferstehe, wenn ich nur glaube, dass Jesus dorthin auferstanden ist. Die Frage ist nämlich: Bin ich dann wirklich im "Himmel"? Die Hoffnung, dass eines Tages alles Leid ohne unser Zutun weg gewischt sein könnte, ist sehr gefährlich.
Der Journalist: Wieso?
Der Theologe: Weil niemand außer Kraft setzen kann, was auch in der Bibel bezeugt ist: "Was der Mensch sät, das wird er ernten." Wer anderes lehrt, täuscht die Menschen und wiegt sie in falscher Sicherheit.
Außerdem: Wenn ich glaube, dass das Leid spätestens nach dem Tod vorbei ist, dann gebe ich mir möglicherweise gar nicht die Mühe, die Ursache der jetzigen Leiderfahrungen bei mir selbst zu finden und die mir geschenkten Tage zu nützen, um an mir zu arbeiten, eventuell andere um Vergebung zu bitten.
Und mehr noch: Wer glaubt, dass man alleine durch Glaube nach dem Tod plötzlich leidensfrei sein könne, für den ist auch das schreckliche Leid anderer Menschen auf dieser Erde nicht mehr ganz so schlimm. Und der wird sich auch weniger anstrengen, um mitzuhelfen, es aus der Welt zu schaffen. Er wird bestrebt sein, den Leidenden den aus seiner Sicht richtigen Glauben zu bringen. Und zu diesem Zweck versucht er vielleicht auch, ihnen im Äußeren zu helfen. Die Hilfe ist aber nicht selbstlos, sondern vielfach Teil einer Missionsstrategie.
Die falschen kirchlichen Vertröstungen begünstigen darüber hinaus, dass das Leiden sich sogar verschlimmert, wenn die noch nicht erkannten und noch nicht aufgearbeiteten Ursachen weiter wirken. Dies gilt auch über den Tod hinaus.
So könnte man sagen: Was nützen denn alle Kruzifixe und Kreuze, wenn ich nicht heraus finde, warum ich leide? Oder warum andere Menschen gequält werden? Oder Tiere?
Und eine Erlösung vom Leid der Seele durch den Tod gibt es eben nicht. Der Tod nimmt uns nichts und er gibt uns nichts. Es geht drüben an der Stelle weiter, wo es hier aufgehört hat. Und hier ist es angebracht, dass alle kleinlaut und demütig werden, man selbst eingeschlossen. Und jeder, der lautstark anderes verkündet, dem kann man letztlich nur in aller Bescheidenheit entgegen halten: Warten wir´s ab.
URSACHEN ERKENNEN
Der Journalist: Was ist dann die "frohe Botschaft"?
Der Theologe: Dass wir geliebte Kinder Gottes sind und mit der Kraft von Christus in uns Schritt für Schritt aus dem Leid herausfinden können, indem wir uns selbst erkennen - vor allem das, was im Unterbewusstsein liegt -, indem wir bereuen, vergeben, um Vergebung bitten, etwas wiedergutmachen, so weit das möglich ist, und die alten Fehler nicht mehr tun. Dies kann man "Bereinigung" nennen. Wenn ich jemandem mit Worten oder Taten Schaden zufügte, bitte ich mit Worten um Verzeihung. Wenn es in Gedanken bzw. Empfindungen geschah, bitte ich über Christus in Gedanken und Empfindungen um Verzeihung. Gedanken bzw. Gedankenbilder sind ungeheure Kräfte, was manchen Menschen nicht bewusst ist, und sie sind auch im Jenseits offenbar.
Der Journalist: Sie sagen, Christus hilft. Wie war es bei ihm selbst? Hatte er sein Leiden auch selbst verursacht?
Der Theologe: Das wäre ein Missverständnis. Jesus wurde nicht bekämpft und getötet, weil er zuvor negative Ursachen gesetzt hätte, sondern weil er uns helfen wollte, den Weg zu Gott wieder zu finden, also einen göttlichen Auftrag in sich trug. Dieser Auftrag stieß auf den Widerstand der damaligen Priester und Theologen.
Das Beispiel von Jesus lässt sich also meist nicht auf uns übertragen. Glaubt man der Jesaja-Prophezeiung, dann gilt: "Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünde zermalmt" (53, 5). Und das kann man sich ganz praktisch vorstellen: Judas hat ihn verraten, die anderen Jünger haben - auch im übertragenen Sinn - geschlafen, und viele trauten sich in der zugespitzten Situation nicht, für ihn einzustehen: weder der römische Prokurator Pilatus, der überzeugt war, dass Jesus unschuldig ist, noch viele aus dem Volk, die sich vor der Übermacht der Priester und Theologen und ihrer Anhängerschaft fürchteten und die deshalb ihren Mund hielten. Oder wo waren diejenigen, die hätten rufen können: "Gebt Jesus frei"?
Der Journalist: Das kann man sich so vorstellen. Doch wie ist es mit anderen, zum Beispiel mit Märtyrern für eine gute Sache? Könnte es sein, dass auch andere leiden, weil sie einen göttlichen Auftrag in sich tragen?
Der Theologe: Jesus sprach davon in einem bestimmten Zusammenhang. Er sagte zum Beispiel: "Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden" (Bergpredigt, Matthäus 5, 10). So kann man schon fragen: Wer von uns wird "um der Gerechtigkeit willen" verfolgt? Wer folgt auf diese Weise Jesus nach? Es steht mir nicht zu, dies zu beurteilen. Für die meisten hat das Leiden aber wohl andere Ursachen, und die Chance liegt darin, diese zu finden und zu beheben anstatt sich in Gedanken in eine Märtyrerrolle zu flüchten.
Der Journalist: Fällt es vielen Menschen nicht sehr schwer, daran zu glauben, dass eigene Ursachen zugrunde liegen?
Der Theologe: Auch mir ist dieses Denken nicht zugefallen. Ich musste es mir in jeder Situation neu erarbeiten, manchmal durch inneren Kampf und Überwindung. Doch immer war die Hilfe da, einen Schritt voranzukommen. Jesus hat gelehrt: "Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst" (Matthäus 7, 5).
VERGANGENES LEBEN, HEUTIGES LEBEN,
ZUKÜNFTIGES LEBEN
Der Journalist: Wenn die Ursachen aus früheren Leben stammen, sind sie den meisten aber gar nicht bekannt.
Der Theologe: Oft ahnen sie aber einiges. Was für eine nicht aufgearbeitete Fehlhaltung früher war oder gewesen sein könnte, zeigt sich wieder in unseren heutigen Gedanken und Empfindungen, jetzt vielleicht nur in anderen Lebensumständen als früher.
Durch viele Inkarnationen haben sich zahlreiche Möglichkeiten ergeben, wie die Fäden im Gesetz von Ursache und Wirkung verwoben sein können. Es genügt allerdings das Wissen, dass nichts zufällig und willkürlich geschieht. Ich kann daher immer von meinen heutigen Gedanken und Empfindungen ausgehen und kann mir bewusst machen, dass in jeder Situation die Hilfe Gottes da ist. Manchmal bitte ich auch in Gedanken um Vergebung für manches, was ich in früheren Leben wohl anderen angetan habe, weil ich es heute selbst erleide. Hatte ich also keinen Anhaltspunkt für etwas Negatives, das mir zugestoßen ist, dann habe ich etwa sinngemäß gebetet: "Christus, du kennst die Gründe. Ich bitte über dich um Vergebung, wo ich anderen einst solches angetan hatte, was ich jetzt selbst erlebe."
Der Journalist: Ich erinnere noch einmal an die "Hinterbliebenen" im vorhin genannten Beispiel. Was würden Sie ihnen heute auf die Frage "Warum" antworten?
Der Theologe: Keiner kann einem anderen die Antworten auf die Frage nach dem Warum geben, die in einem selbst liegen, in den eigenen Empfindungen, Gefühlen und Gedanken.
Jeder kann auf eine bestimmte Frage andere Antworten finden, weil seine Belastung eine andere ist. So kann jeder seine Antworten finden. Sicher ist jedoch: Niemand braucht eine kirchliche Lehre vom "unergründlichen Geheimnis Gottes" hin zu nehmen. Dieser Glaube kann oft ein Leben lang unverdaut im Magen liegen bleiben, und daran können Menschen zerbrechen.
Der Journalist: Was heißt in diesem Fall "Saat und Ernte"? Sind dann zum Beispiel die kirchlichen Lehrer schuld, oder sind es die Leute selbst?
Der Theologe: Wer die Chance seines Lebens nicht nützt, ist dafür, vereinfacht gesprochen, selbst verantwortlich, zum Beispiel durch seine Zustimmung zu kirchlichen Lehren.
Außerdem wurden diese Lehren ja auch irgendwann von Menschen entwickelt, und wer weiß, welche Rolle jemand früher dabei hatte. Schließlich werden die kirchlichen Lehrsysteme bis heute dadurch am Leben erhalten, dass bestimmte Menschen daran glauben und viel Geld in Form von Kirchensteuern, Subventionen oder Spenden dafür geben. Jeder kann sich selbst fragen, warum er daran festhalten will, und ob Verstand und Gefühl nicht eine andere Sprache sprechen.
Das Gesetz von Saat und Ernte kennt jedenfalls keinen "Sündenbock", sondern es wägt genau ab und wägt jedem Beteiligten seinen Anteil zu - dem Lehrer, der die Lehre weitergegeben hat, und dem Gläubigen, der gefolgt ist. Dass es unterschiedliche Anteile gibt, wird auch aus den Worten des Jesus von Nazareth deutlich, der zu den Theologen und Schriftgelehrten seiner Zeit sagte: "Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen! Ihr geht nicht hinein, und die hinein wollen, lasst ihr nicht hineingehen" (Matthäus 23, 13).
Der Journalist: Wenn im Gesetz von Saat und Ernte auf jeden nur sein Anteil zukommt, wäre dieses Gesetz ja gerecht. Ist es das wirklich?
Der Theologe: Die wichtigste Frage ist in diesem Zusammenhang doch eine andere: Geht mir das Leid anderer nahe, oder lässt es mich kalt? Denn wie kann ich als Christ einem anderen helfen, seine Last zu tragen, wenn ich kein Gefühl dafür entwickelt habe, was in dem anderen gerade vorgehen mag? Und darauf kommt es doch an, auf die Nächstenliebe. So hat es Jesus, der Christus gelehrt. "Alles
Pfarrer und Priester sagen manchmal, ich bete für Sie. Ja, aber was soll das denn für ein Gebet sein, wenn das innere Mitgefühl fehlt oder völlig unterentwickelt ist? Leider ist fast allen Menschen durch die dogmatischen und schöpfungsfeindlichen Kirchenlehren das Empfinden für die Einheit allen Lebens abhanden gekommen, so dass man erst wieder das kleine ABC lernen muss, wozu gehört: Der andere ist ein Teil von mir. Und ich bin ein Teil von ihm. Und das gilt auch gegenüber Tieren und der ganzen Natur. Erst unter diesen Voraussetzungen ist das Wissen um das Gesetz von Saat und Ernte kein intellektuelles Konservenwissen, sondern es beinhaltet das rechte Wort zur gegebenen Zeit.
Über die Gerechtigkeit kann ich mir dann einmal Gedanken machen, was mein eigenes Leben betrifft, zum Beispiel in der Frage: Wäre es gerecht, wenn ich mich bequem dem Müßiggang hingeben kann oder mein Ego seine eigensüchtigen Ziele erfüllt bekommt und ich schlussendlich auch noch "allein durch den Glauben" in den Himmel komme? Außerdem: Was nützen Gedanken, die sich nur auf einen kleinen Ausschnitt des Lebens beziehen? Leider nehmen wir aber oft nur einen kleinen Ausschnitt des Lebens wahr, und ich lerne täglich, in größeren Zusammenhängen zu denken.
Dazu gehört auch das Wissen, dass das Leben nie vergeht. Auf den letzten Atemzug des Menschen im Diesseits folgt sogleich der erste Atemzug der Seele im Jenseits. Das Leben geht also weiter. Beim Eintritt des Todes verlässt die Seele den Körper und lebt für uns Menschen unsichtbar weiter in den jenseitigen Welten. Den Atem nimmt sie dabei mit. So lebt zum Beispiel auch die Seele eines Ermordeten weiter und es könnte eine ihrer Hauptaufgaben sein, dem Täter zu vergeben.
Welchen Weg sie dann im Jenseits geht, ob sie zum Beispiel wieder einen neuen Körper für eine weitere Inkarnation wünscht oder wählt und mit welcher Absicht, ist unter Umständen ihr überlassen. Sie hat auch im Jenseits mehrere Möglichkeiten, sich zu entscheiden. Davon hängt auch ab, wann ihr welche eigene Schuld bewusst wird, und wie sie diese, vereinfacht gesprochen, "bereinigt".
WOVON PFARRER SPRECHEN
Der Journalist: Wären das alles auch mögliche Worte am Grab?
Der Theologe: Ich würde nie jemanden von meinem Glauben überzeugen wollen. Es ist eine Sache des Einfühlungsvermögens, den Nächsten in seiner momentanen Situation zu verstehen und auch die Worte zu finden, die ihm weiterhelfen. Wichtig ist für mich dabei, dass das Leben im Jenseits ohne Unterbrechung weitergeht und die Gedanken und Gebete von Trauernden auch bei der Seele im Jenseits ankommen.
Grundsätzlich lernte ich, mehr und mehr nur das auszusprechen oder zu schreiben, was ich in meinem Leben auch verwirklicht habe bzw. ich lerne zu sagen, wo das noch nicht der Fall ist.
Ein Pfarrer steht immer in Gefahr, zu reden, ohne dass seine Worte von innen heraus gefüllt sind, weil es seine berufliche Pflicht ist, in bestimmten Situationen reden zu müssen. Den Berufsstand des Pfarrers oder Priesters hat Jesus von Nazareth außerdem überhaupt nicht gewollt. Es ist also kein christliches Amt, sondern stammt aus antiken Götzenkulten.
Der Journalist: In den Kirchen wird er aber als eine Art besondere christliche Berufung verstanden.
Der Theologe: Auch ich hatte mit dem Theologiestudium begonnen, weil ich mich für Christus einsetzen wollte. Von Seiten der Kirchen ist der Pfarrerberuf sogar als lebenslange Berufung gedacht. Doch ich konnte ab einer bestimmten Zeit diesen Beruf nicht mehr mit der Nachfolge Jesu vereinbaren. Jesus von Nazareth hat nirgends davon gesprochen, dass er sich eine Kirche mit Theologen wünscht, die als Pfarrer und Priester arbeiten. Im Gegenteil: Die Theologen der damaligen Zeit, die so genannten "Schriftgelehrten", waren die erbittertsten Gegner des Jesus von Nazareth. Jesus verdiente seinen Lebensunterhalt demgegenüber als Zimmermann.
Und auch Paulus ließ sich nicht wie die Theologen heute für ein "geistliches Amt" bezahlen, sondern er arbeitete als Zelt- bzw. als Teppichmacher (siehe Apostelgeschichte 18, 1-3; 20, 34; 1. Brief an die Korinther 4, 12; 1. Brief an die Thessalonicher 2, 9).
Gemessen an der einfachen Botschaft des Jesus von Nazareth ist überhaupt keine "Theologie" notwendig. Vorübergehend sehe ich die Aufgabe des "Theologen" darin, die von der Theologie verursachte Verwirrung hinsichtlich der christlichen Botschaft wieder zu entwirren. Denn wenn die Worte der Theologen nicht der Wahrheit entsprechen, die Menschen also falsch belehrt werden, dann bürden sich diese eine Last auf, an welcher sie eines Tages noch unsäglich schwer zu tragen haben. Denn sie tragen dann erhebliche Mitschuld an den negativen Wirkungen im Leben ihrer Mitmenschen aufgrund der falschen Lehre, und sie müssen deshalb selbst diese Wirkungen mittragen. Dieses Leid, und das gilt natürlich je nachdem für jeden Menschen, bedeutet dann "Abtragung".
Der Journalist: Was verstehen Sie unter "Abtragung"?
Der Theologe: Viele Ursachen wirken sich nicht sofort oder nach kürzerer Zeit aus, es dauert oft lange Zeit. Es gibt das bekannte Sprichwort: "Gottes Mühlen mahlen langsam." Irgendwann wird eine Schuld im Diesseits oder im Jenseits voll wirksam, wenn sie nicht rechtzeitig bereinigt bzw. wieder gut gemacht ist, das ist dann die "Abtragung". Der Mensch erleidet bzw. "trägt" dann selbst die Not oder das Leid, das er zuvor anderen zufügte, zum Beispiel durch Irreführung. Und tritt ein Mensch hierbei zum Beispiel als ein Kirchenoberhaupt auf, dem seine Kirche in Lehrfragen sogar "Unfehlbarkeit" zuspricht, dann ist die Abtragung eines Tages immens und gar nicht mehr in Worte zu fassen. Und die "arme Seele", die sich auf Erden einst in ein "unfehlbares" Lehramt wählen ließ, gehört mit zu den bedauernswertesten Geschöpfen in der jenseitigen Welt.
Wer also "abträgt", kann zwar in dieser Situation ebenfalls um Vergebung bitten, doch zuvor wurde die Chance vertan, der Wirkung zuvorzukommen und diese eventuell nicht erleiden zu müssen. Und ist es dann so leicht, zur Reue zu finden, wenn man von starken Schmerzen gequält wird und sich vielleicht als "Opfer" des Schicksals fühlt?
Auch ist es im Jenseits nicht so leicht möglich wie auf der Erde, einer anderen Seele zu begegnen, mit der etwas zu bereinigen ist. Auf der Erde kann ich grundsätzlich auf jeden Nächsten zugehen, durch technische Hilfsmittel wie Flugzeug, Telefon oder Internet auch schneller als in früheren Jahrhunderten. Als Seele im Jenseits bin ich unter "Meinesgleichen", das heißt unter denen, die einen ähnlichen Bewusstseinsstand und ähnliche Belastungen haben. Die Entwicklung bzw. Evolution ist viel langwieriger, weil man sich vielfach in den gegenseitigen Belastungen bestätigt statt diese aufzuarbeiten.
Der Journalist: Davon habe ich im Religionsunterricht nichts gehört. Die Kirchen lehren in ihren Dogmen und Bekenntnisschriften die "Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag" und eine Unterscheidung derer, die in den Himmel kommen, von denen, die in die Hölle kommen. Wie stehen Sie dazu?
Der Theologe: Wäre das gerecht, wenn die Einen 100 % "Weiß" erwartet und die Anderen 100 % "Schwarz" und das in alle Ewigkeit? Und was wäre das für ein Gott, der bei Schmerzensschreien und Hilferufen seiner höllisch gequälten Kinder in Ewigkeit nicht mehr reagieren kann oder will?
Das erinnert mich daran, wie zum Beispiel Kirchenobere zu den Vorgängen in den Konzentrationslagern im nationalsozialistischen Deutschland geschwiegen haben oder wie sie heute zum Alltag der Tiere in den Schlachthöfen oder Tierversuchslabors überwiegend schweigen. Aber es hat nichts damit zu tun, wie ich Gott erlebt habe.
Gäbe es einen Ort der ewigen Gottferne ohne Umkehrmöglichkeit, dann wäre die gottferne Macht stärker als die Liebe Gottes.
Bei diesem Thema entlarven sich die Kirchen sehr deutlich: Denn was dort geglaubt werden soll, ist im Endzustand eine für immer geteilte Schöpfung: mit Menschen bzw. Seelen, die auf der Erde gläubige Katholiken oder Protestanten waren und einigen weiteren, die angeblich mit diesen zusammen in der so genannten Seligkeit leben dürfen. Und auf der anderen Seite gäbe es angeblich die vielen anderen, die sich für alle Ewigkeit an einem Ort nie endender Gottferne und Qualen befinden sollen.
Der Schöpfergott, den Jesus von Nazareth uns nahe brachte, hat sich aber so etwas nicht ausgedacht. Er ist ein anderer Gott als der Gott der Kirche. Der Schöpfergott reicht jedem Seiner Kinder zu jedem Zeitpunkt die Hand, im Diesseits und im Jenseits und jeder kann aus seiner selbst geschaffenen Hölle früher oder später herausfinden. Es liegt allein an ihm selbst. So mag es zwischenzeitlich für so manchen eine so genannte "Hölle" geben. Doch nur, damit er erkennt und bereut, wie er anderen das Leben zuvor auf gleiche Weise zur "Hölle" gemacht hat, und damit er umkehrt.
Noch am Rande dazu bemerkt: Das in der Bibel an wenigen Stellen im Zusammenhang von Verdammnis bzw. Seligkeit genannte griechische Wort "aionios" bezeichnet eine lange Zeit, einen "Äon", aber keine Ewigkeit im Sinne einer Unendlichkeit. Und das andere in der Bibel dafür verwendete Wort "asbestos" kann auch mit "unermesslich" übersetzt werden. [Ausführliche Besprechung dieses Themas in "Der Theologe Nr. 19": Es gibt keine ewige Verdammnis - auch nicht in der Bibel] Das Leiden kann also sehr lange dauern, aber es wird irgendwann beendet sein.
WARNUNGEN
Der Journalist: Einige Menschen verstehen ihr Schicksal auf der Erde bereits als eine Art "Hölle". Und andere berichten über Leid und Freude in ihrem Leben im Wechsel, ohne dass allerdings große Schicksalsschläge eingetreten sind.
Der Theologe: Sie sagen "ohne dass große Schicksalsschläge eingetreten sind". Doch was wird eventuell noch kommen?
Eine Saat reift ja langsam zur Ernte. Und bevor geerntet wird, kann man das Wachstum der Saat beobachten. Auf den Menschen bezogen bedeutet das: Bevor ein Schicksal eintritt, wird der Mensch mehrfach gewarnt, um mögliche Wirkungen einer Saat durch Bereinigen rechtzeitig zu verhindern. Das steht übrigens auch sinngemäß in der Bibel, auch wenn dort fälschlicherweise im Buch Weisheit behauptet wird, dass sich mancher "böse" Mensch "niemals mehr ändern würde" (12, 10b). Im Buch Weisheit heißt es aber zum Beispiel auch: "Womit jemand sündigt, damit wird er auch bestraft" (Weisheit 11, 16). Doch es muss nicht so weit kommen. Denn: "Darum bestrafst du die, die fallen, nur leicht und warnst sie, indem du sie an ihre Sünden erinnerst, damit sie von ihrer Schlechtigkeit loskommen und an dich, Herr, glauben" (Weisheit 12, 2). Und: "Du richtest sie nur nach und nach und gabst ihnen so Gelegenheit zu Buße ..." (V. 10a) [Das Buch Weisheit ist Teil der römisch-katholischen Bibeln, bei den Evangelischen zählt es zu den so genannten "Apokryphen"] Hier wird zwar fälschlicherweise Gott als Urheber der Ernte bzw. als Richter genannt. Doch abgesehen von diesem Fehler wird gut deutlich, dass kein Schicksal vom Himmel fällt, sondern dass es zuvor immer Warnungen gibt.
Auch kleinste Begebenheiten können uns in diesem Zusammenhang helfen und uns auf unsere negativen Ursachen hinweisen, wenn wir wachsam im Tag leben. Erkennen wir uns in den Situationen des Alltags, verstehen wir die Warnungen und ziehen daraus die richtigen Konsequenzen, dann müssen wir ein bestimmtes Schicksal nicht erleiden bzw. können wenigstens einen Teil davon abwenden.
Der Journalist: Was sind zum Beispiel solche Warnungen?
Der Theologe: Wachsam können wir immer sein, wenn uns etwas ärgert oder erregt, zum Beispiel das Verhalten eines unserer Mitmenschen. Die Erregung kommt ja aus uns selbst heraus. Die Botschaft ist: Ganz gleich, was beim Nächsten vorliegt - ob er sich wirklich negativ verhalten hat oder ob ich nur etwas Negatives in sein Verhalten hineingelegt habe: Das, worüber ich mich errege, "entspricht" mir, wir können deshalb auch "Entsprechung" dazu sagen. Die entscheidende Frage ist also zuerst: Wo verhalte ich mich so oder so ähnlich wie der Mitmensch, eventuell auch "nur" in Gedanken?
Denn würde in mir nicht Gleiches oder Ähnliches vorliegen, dann könnte ich in der jeweiligen Situation innerlich gefasster bleiben und aus der inneren Stärke das Rechte tun. So aber erregt mich die Situation und bringt mich aus dem Gleichgewicht. Das ist eine mögliche Warnung.
An diesem Beispiel können wir auch verstehen, was Jesus von Nazareth meinte, als er mahnte: "Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge" (Bergpredigt, Matthäus 7, 3).
Das Verhalten des Mitmenschen ist dann der "Splitter", der uns auf unseren Balken hinweist.
Der Journalist: Wenn ich den Balken erkenne, aber keine Kraft habe, ihn zu entfernen?
Der Theologe: Für das Balkenstück, das ich heute erkenne, ist mir heute auch die Kraft gegeben, es zu entfernen, wenn ich es gleich tue bzw. noch am selben Tag und es nicht aufschiebe oder ganz darüber hinweggehe. Diese Kraft können wir "Tagesenergie" nennen.
Der Journalist: Ich habe mich beispielsweise über eine bestimmte Person geärgert. Wie finde ich jetzt zum eigenen Balken?
Der Theologe: Dann frage ich nach dem Grund für den Ärger. Ein Beispiel: Vielleicht ist es der nicht erfüllte Wunsch, von dieser Person ernst genommen zu werden oder Aufmerksamkeit zu erhalten. Dann kann ich umgekehrt fragen: Wen nahm ich nicht ernst oder schenkte ihm keine Aufmerksamkeit? Und warum? Fällt mir dazu eine Situation ein? Wie kann ich sie "bereinigen" und mich in Zukunft anders verhalten?
Schließlich kann ich - auf die ursprüngliche Situation bezogen - weiterfragen: Warum war es mir so wichtig, in dieser Situation beachtet zu werden? Was liegt darunter? Vielleicht die Eifersucht? Oder die Angst, die Aufmerksamkeit oder Zuwendung dieser Person zu verlieren? Und warum diese Angst? In welchen Punkten habe ich mich von einem Menschen abhängig gemacht?
So komme ich allmählich zu der Wurzel für mein Verhalten. Kann ich diese dann bereinigen und mir ein neues Zielbild vorgeben? Zum Beispiel: "In Gott werde ich immer freier". Oder: "Ich gebe meinem Nächsten, ich erwarte nichts von ihm."
Wenn zu einem späteren Zeitpunkt wieder der Ärger hochkommt, dann kann ich mich gedanklich zügeln: "Halt, Stopp! Was habe ich mir vorgegeben?" In diesem Augenblick werde ich schon ruhiger. Ich reagiere nicht mit Vorwürfen, sondern versuche, den Nächsten zu verstehen. Die Erfahrung zeigt: Die Beziehung verbessert sich zunehmend.
Habe ich meine eigenen Schwächen, den Balken, bereinigt, dann kann ich auch dem Nächsten helfen, seine Schwächen, den Splitter, zu erkennen und zu bereinigen, wenn er dies möchte, und es kommt zu einem tieferen Miteinander.
Der Journalist: Bei diesem Beispiel hat ein Ärger sehr viel ausgelöst und innerlich in Bewegung gebracht. Hat wirklich alles, was mir täglich begegnet oder was mich bewegt, eine tiefere Bedeutung?
Der Theologe: Es kommt immer auf einen selbst an. Wir brauchen in Situationen nichts hinein zu interpretieren, doch wenn wir unsere Umwelt aufmerksam wahrnehmen, dann kann uns auch der Flug eines Vogels eine Botschaft übermitteln oder etwas in uns anstoßen.
Daneben gibt es zahlreiche Gedanken, die uns im Laufe eines Tages immer wieder anfliegen. Fliegen sie uns allerdings nur an und verschwinden wieder, ohne dass wir uns erregen, dann ist es nicht sinnvoll, sie zu analysieren.
Umgekehrt leiden viele Menschen ja aber nicht darunter, dass sie Situationen überinterpretieren, sondern sie sind abgestumpft und nehmen nur wenig von dem wahr, was um sie herum geschieht und was ihnen eigentlich etwas sagen möchte.
Werden zum Beispiel einige kleinere Warnungen übersehen, die uns auf ein sich unter Umständen anbahnendes Schicksal hinweisen, dann können die Mahnungen stärker werden, eventuell erste Wirkungen bereits hereinbrechen. Ich denke zum Beispiel an einen kleineren Autounfall, bei dem jemand mit einem "Schrecken" oder einem kleinen Blechschaden davongekommen ist. Die entscheidende Frage ist die Frage nach dem "Warum" des Unfalls.
Der Journalist: Oft lag doch nur eine Unkonzentriertheit zugrunde?
Der Theologe: Ja, doch auch die Unkonzentriertheit hatte ja ihre Ursachen. Wo waren meine Gedanken? Was hatte ich also gerade gedacht? Womöglich oder gar wahrscheinlich hat es ja mit der tieferen Ursache für den Unfall zu tun? Oder ich weiß genau, was in meinem Leben derzeit nicht in Ordnung ist, und wovor mich der kleine Unfall warnen möchte. Es ist nicht nötig, weit in die Ferne zu schweifen.
WENN SICH JEMAND IN GEDANKEN VERSTRICKT
Der Journalist: Spielen die Gedanken also eine wesentliche Rolle?
Der Theologe: Ja. Bei jemandem, der beispielsweise Angst hat zu versagen, kann allein deswegen ein Versagen eintreten, weil er immer wieder innere Versagens-Bilder als Ursache zugelassen hat, ohne nach dem Warum zu fragen und es mit der Hilfe von Christus zu ändern.
Der Journalist: Wird die Wichtigkeit der Gedanken auch in den Kirchen gelehrt?
Der Theologe: Nein. Die kirchlichen Lehren lenken das Bewusstsein des Menschen stark auf das Äußere oder auf Vordergründiges; auf "Sakramente" und Zeremonien, auf das Hören von Predigten, auf den "Glauben allein", auf das eine oder andere "gute Werk". Vor allem in konservativen Kreisen der evangelischen Kirche, bei den so genannten Pietisten, Evangelikalen oder Charismatikern, wird immer wieder hervor gehoben, Christus sei für alle unsere Sünden gestorben, und wir würden allein durch den Glauben daran gerettet. Diese Lehre verhindert oft, dass Menschen genauer und aufmerksamer ihren Alltag betrachten und Schritt für Schritt Gott näher kommen. Dann können sie Problemen unter Umständen nicht auf den Grund kommen und die Hilfe Gottes in vielen Situationen des Alltags wird gar nicht wahrgenommen. So trifft manchen Menschen ein Schicksal, das ihn gar nicht hätte treffen müssen. Eine Hauptverantwortung dafür tragen dann die Männer und Frauen der Kirche.
Der Journalist: Kommt ein Schicksal auf jemanden zu, heißt es dann in der Kirche oft: "Das ist der unergründliche Ratschluss Gottes".
Der Theologe: Dabei hatte Gott immer wieder versucht, sich Gehör zu verschaffen und das Schicksal zu verhindern. Wir brauchen doch nur das Wort vom "Splitter und Balken" aus der Bergpredigt von Jesus ernst zu nehmen und uns einmal in den Situationen des Tages selbst beobachten. Jeder Tag gibt uns viele Hilfen.
Wer sich, anstatt bewusst im Tag zu leben, lieber viele theologisch-intellektuelle Gedanken macht, der kann leicht in Gedankenverstrickungen geraten. Sein Bewusstsein steht in der Gefahr, stumpf zu werden und sich von den möglichen lebendigen Gotteserfahrungen im Alltag immer mehr zu entfernen.
Auch dazu fällt mir ein Beispiel ein: Als ich einmal aus Versehen eine kleine Katze mit dem Auto überfuhr, spürte ich in dieser Situation wie selten zuvor das Leiden eines Tieres. Die Katze bewegte sich noch einige kurze Augenblicke, bevor sie starb, und ich stand verzweifelt daneben und wollte helfen, war aber hilflos.
In manchen anderen Situationen hatte ich aber das Leid anderer nicht oder kaum wahrgenommen. Und hat das nicht mit den Knäueln von Gedanken, hauptsächlich egoistischen Gedanken, zu tun, in die sich Menschen einspinnen können?
NACH INNEN HÖREN
Der Journalist: Könnte der Unfall mit der Katze nicht auch eine Warnung sein?
Der Theologe: Ja. Ich könnte mich zum Beispiel auch fragen: Wer kommt sonst noch "unter meine Räder"? Andere Tiere? Menschen? Vielleicht trifft es eines Tages einen selbst, wenn man die Warnung nicht erkennt und etwas ändert.
Doch nicht alles, was der Tag bringt, hat mit Negativem zu tun. Die Hinweise des Alltags helfen uns zum Beispiel auch im Positiven, die beste Spur für unser Leben zu finden. Alles spricht zu uns. Vor bestimmten Entscheidungen kommt es zum Beispiel zu bestimmten Begebenheiten oder es finden Gespräche statt, deren Inhalt mir die Entscheidung erleichtern. Die Hilfe Gottes ist pausenlos zu meinem Wohl aktiv, und Gott kann aus allen Mündern zu mir sprechen. Das macht man sich manchmal viel zu wenig bewusst.
Der Journalist: Einige fragen dabei nach "Gottes Willen".
Der Theologe: Gott lässt uns immer die Freiheit, zu entscheiden. Er entscheidet nicht für uns und gibt uns in einer konkreten Situation auch keine "richtige" Entscheidung vor. Gott will, dass wir nach Seinen Geboten leben, und Er hilft uns, unsere Motive zu finden, damit wir Entscheidungen treffen können, die auch von ihrer Motivation her im Einklang mit den Geboten stehen.
Ich denke an Fragen, ob jemand eine bestimmte Person heiratet oder nicht, welchen Beruf jemand wählt, ob er lieber in den Süden oder in den Norden zieht oder ob er bleibt, wo er ist. Wir entscheiden selbst, doch Gott hilft uns dabei. Oft kommen auch Impulse, die wir in unserem Inneren wahrnehmen können, wenn wir vorher still werden und uns auf Gott in uns ausrichten. Bin ich dann wachsam und offen, diese zu erkennen, von negativen Einflüssen zu unterscheiden und die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen? Dann kann ich immer besser nach Gottes Willen leben.
Gott will nicht, dass wir auf dem Weg zu Ihm Umwege gehen, doch Er bleibt auch auf unseren Umwegen bei und in uns.
VOM LEIDEN DER TIERE
Der Journalist: Wenn ich es recht verstanden habe, geht es um eine innere Führung in bestimmten Situationen, wobei äußere Anlässe helfen können, diese wahrzunehmen.
Eine weitere Frage zu dem Beispiel mit der Katze: Wie verhält es sich mit den Tieren? Gilt auch für sie "Saat und Ernte"?
Der Theologe: Beim Leiden der Tiere geht es, was die Tiere selbst betrifft, nicht um "Saat und Ernte". Die Tiere haben im Unterschied zu den Menschen nicht negativ gesät, sondern viele wurden durch negative menschliche Verhaltensweisen, zum Beispiel Aggressionen, so geprägt, wie sie heute sind. Dies hat sich über unvorstellbar lange Zeiträume hinweg so entwickelt, also über Äonen, vor allem bei so genannten "Raubtieren". Dass diese Entwicklungen im Tierreich aber nicht ursprünglich sind, wird ja auch an der großen Friedensreich-Vision des Propheten Jesaja deutlich, in der es unter anderem heißt: "Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern ... Kühe und Bären werden zusammen weiden ... und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder" (11, 6-7). So war er einst, und so wird es wieder werden, wenn die Menschen ihr Verhalten untereinander und gegenüber den Tieren komplett ändern.
Bis dahin ist jedoch das grausame Leiden der Tiere in Tierversuchen, bei Massentierhaltung, in Schlachthöfen, bei Tiertransporten, in verseuchter Umwelt, bei der Jagd und auch bei Unfällen unmittelbar oder mittelbar auf menschliche Ursachen zurückzuführen. Und so könnte das derzeitige furchtbare Leid der Tiere auch ein Vorbote sein für das, was eines Tages auf Menschen zukommt, wenn diese ungesühnten Ursachen als Wirkungen auf den Verursacher, den Menschen, zurückfallen. Ist uns überhaupt bewusst, was wir den Tieren antun?
Der Journalist: Gehört zu dem, was auf die Menschen zurückfällt, auch die Krankheiten, die durch den Fleischgenuss hervorgerufen werden?
Der Theologe: Das Gesetz von Saat und Ernte gilt auch für unsere Essgewohnheiten, so dass man aus der Sicht der Tiere sagen könnte: "Ihr Menschen habt uns krank gemacht, jetzt esst ihr unsere Krankheiten." Für Menschen, die sich von den Körpern anderer Menschen ernähren, gibt es das Wort "Kannibalen". So dürften sich Menschen, die Tiere essen, nicht beschweren, wenn man sie als "Tierkannibalen" bezeichnen würde.
In der Schöpfungsordnung war das jedenfalls nicht vorgesehen. Nach dem biblischen Schöpfungsbericht ist der Mensch Vegetarier (1. Mose 1, 29-30). In der Bibel ändert sich das erst nach der "Sintflut". Angeblich stamme diese Veränderung auch von Gott. Doch wenn in diesem Zusammenhang von "Furcht und Schrecken" "über allen Tieren auf Erden" durch den Menschen gesprochen wird (1. Mose 9, 1 ff.), dann klingt das nicht nach einer "Erlaubnis Gottes", sondern nach einem "Weheruf" über die Menschen. Der berühmte alttestamentliche Theologe Walter Zimmerli nannte es den "Fluch der Urzeit".
Und das damit verbundene Ja zum Fleischkonsum ist dann kein "göttlicher Wille", sondern ein "göttliches Wehe". Immer mehr Menschen verzichten auf Fleisch, weil sie wissen, dass auch alles Leiden, das wir den Tieren antun, auf die Menschen zurückfällt, je nach ihrem Anteil. Und weil sie immer empfindsamer für das Leid der Tiere werden [vgl. dazu: "Der Theologe Nr. 7": Jesus und die ersten Christen waren Vegetarier und www.brennglas.com].
ES GIBT KEINEN STRAFENDEN GOTT
Der Journalist: In der Bibel heißt es über Gott im Zusammenhang dieser Stelle weiter: "Auch will ich euer eigen Blut, das ist das Leben eines jeden unter euch, rächen ..." (1. Mose 9, 5)
Der Theologe: Das Wort vom Rächen macht deutlich, dass man Gott in der Bibel manche Menschenworte und -gedanken zugeschrieben hat. Gott ist kein Rächer und fordert kein Blut. Es ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, welches die Ernte "einfordert", wenn die Saat nicht vor ihrem Aufgehen korrigiert wird. Diesem Gesetz entgeht kein Blutstropfen, den Menschen vergossen haben und kein menschlicher Rachegedanke.
Der Journalist: Gehen wir davon aus, dass das "Gesetz von Saat und Ernte" gilt. Doch weder diese Gesetzmäßigkeit und seine Auswirkungen werden den Menschen bekannt gemacht, noch wie man damit umgeht. Dann bleibt vieles beim Alten. Es ist dann unter Umständen ein schmerzhafter Kreislauf von immer wieder denselben oder ähnlichen Problemen ...,
Der Theologe: ... die sich irgendwann zu einem schweren Schicksal hier auf der Erde oder im Jenseits zusammenballen können.
Wenn jemand diese Gesetzmäßigkeiten verwässert oder verleugnet, dann treten an deren Stelle eventuell der "unergründliche Ratschluss Gottes", die "Geheimnisse Gottes" oder das Aushalten, Beten oder Klagen im Leiden - ohne möglicherweise den Grund dafür finden zu können. Dann ist es auch schwerer, sein Leben in die Hand zu nehmen und Negatives in Positives wandeln zu können.
Der Journalist: Sie sprechen immer wieder von "Gesetzmäßigkeiten" bzw. von einem "Gesetz". Aus den Kirchenlehren kenne ich das Wort "Evangelium"? Es wird dort als "frohe Botschaft" verstanden. Was hat das mit dem "Gesetz" zu tun?
Der Theologe: Das Wort "Gesetz" hat vor allem durch die lutherische Lehre leider einen negativen Beigeschmack bekommen. Dort wird in Anlehnung an Paulus zwischen "Gesetz" und "Evangelium" unterschieden, vereinfacht gesprochen zwischen dem, was man tun soll und dem, was die christliche Botschaft einem schenkt. Und angeblich würde es für das Seelenheil ausreichen, an dieses so genannte Evangelium zu glauben. Doch das stimmt nicht. Es gibt kein "Evangelium", mit dem die Gesetze bzw. Gesetzmäßigkeiten des Lebens außer Kraft gesetzt werden können. Diese Gesetze bzw. Gesetzmäßigkeiten sind gerecht. Sie beinhalten aber auch die "Barmherzigkeit Gottes", der dem Menschen bzw. der Seele immer wieder Chancen und Handreichungen gibt.
Der Journalist: In den kirchlichen Lehren ist oft auch von einem zornigen und strafenden Gott die Rede, den Jesus hätte versöhnen müssen.
Der Theologe: Ja. Das wird dort geglaubt. Doch Gott hat nie gestraft und straft nicht, und Er war und ist auch nie zornig im menschlichen Sinne, dass Er sich wie ein Mensch erregen würde. Es gibt aber den göttlichen Ernst.
Der Journalist: Wenn das so ist, dann kann es folglich auch nicht stimmen, dass ein Zorn Gottes gesühnt werden musste?
Der Theologe: Die Lehre vom "Opferlamm" Christus, mit dem angeblich ein Zorn Gottes gesühnt wurde, ist nur eine menschliche Vorstellung, die aus heidnischen Mysterienkulten und aus dem Opferkult der jüdischen Priester stammt. Jesus wollte mit den Menschen das Friedensreich auf dieser Erde aufbauen. Zum "Sühnopfer" bzw. "Opferlamm" wurde er erst, als die Menschen ihn im Stich ließen. Von Gott her war die Erlösung nicht als blutiges Ereignis geplant, weil in Seiner Welt überhaupt kein Blut fließt. Gott straft auch keinen. Er kann nicht strafen, weil es bei Ihm überhaupt keine Strafe gibt. Auch einen Zorn Gottes, so wie es in den Kirchen gelehrt wird, gibt es nicht und hat es nie gegeben. Das sind alles Vorstellungen aus den Köpfen von Gott getrennter Menschen.
Es gibt nur das ernste Ringen Gottes um die Menschen, das durch prophetische Worte auch in klaren, kraftvollen und manchmal scharf klingenden Worten zum Ausdruck gekommen ist, wenn sanftere Worte zuvor nichts bewegten. Gute Beispiele dafür finden sich in vielen Prophetenworten im "Alten Testament", aber auch in den Weherufen von Jesus über die Schriftgelehrten und Pharisäer (Matthäusevangelium, Kapitel 23).
Anstatt in den unbeschönigten Jesus-Worten über die Theologen seiner Zeit aber die Liebe Gottes zu entdecken, aufzuwachen und umzukehren, interpretierten viele Menschen lieber einen angeblichen "Zorn Gottes" in die Worte hinein. Sie glaubten an "Strafen Gottes" anstatt in negativen Ereignissen die menschliche Selbstbestrafung im "Gesetz von Saat und Ernte" zu erkennen.
Dieses Gesetz beinhaltet so gesehen eben immer auch die Gerechtigkeit, die allem Geschehen über Inkarnationen, ja Äonen, zugrunde liegt. Doch daneben gibt es immer die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, die uns in jedem Augenblick beisteht, wieder aus dem Negativen herauszufinden. Das geht unter Umständen nicht von heute auf morgen, sondern bedarf mehr oder weniger vieler Schritte, so dass wir von einer Evolution zurück zu Gott sprechen können.
VOM SO GENANNTEN "SÜNDENFALL"
Der Journalist: Wenn Sie von einer "Evolution zurück zu Gott" sprechen, dann muss es doch auch einmal eine Entwicklung von Gott weg gegeben haben. Wie kann man sich das vorstellen? Wie ist es zum Beispiel zu diesem "Gesetz von Saat und Ernte" gekommen? Hat Gott es geschaffen?
Der Theologe: Nein, Gott hat es nicht geschaffen. Es ist durch die Menschen gekommen, die als freie Geistwesen im "Himmel" nicht mehr nach den Gesetzen und Ordnungen Gottes bzw. des Kosmos leben wollten. Sie wollten nicht nur - wenn man so sagen will - "Geschöpfe" sein, sondern eine eigene Welt mit eigenen Gesetzen erschaffen.
Der Journalist: In der Bibel steht etwas von einem Sündenfall.
Der Theologe: Dieser Ausbruch aus der Ordnung Gottes war ja auch der Versuch, eine zweite Schöpfung neben die bereits geschaffene zu setzen.
In der biblischen Geschichte vom "Sündenfall", einer Geschichte mit vielen Bildern und Symbolen, erscheint dies als die Versuchung, "sein" zu wollen "wie Gott" (1. Buch Mose 3, 5).
Und die Versuchung bestand eben darin, nicht mehr bescheiden und glücklich seinen Platz in einem vollkommenen Gefüge auszufüllen, sondern sich selbst gegenüber anderen Geschöpfen hervor heben zu wollen, selbst Schöpfer eigener Welten zu sein, zur eigenen Ehre zu leben und zu diesem Zweck auch in Konkurrenz zu anderen zu treten. Damit wäre die ursprüngliche Einheit der Schöpfung zerbrochen.
Das Essen von bestimmten Früchten entgegen dem göttlichen Gebot, wie es in der Bibel erzählt wird, kann dann als Symbol dafür angesehen werden, wie jemand aus dieser Einheit mit Gott heraus tritt, um eine neue, eine zweite Ordnung zu schaffen. Und die Möglichkeit dieses Handelns liegt immer in der "Freiheit" der Geschöpfe begründet, was ja auch in den Kirchenlehren so gesehen wird. Diese Freiheit wäre also vor sehr langer Zeit von einem Teil der Geistwesen "im Himmel" dazu benutzt worden, um die göttliche Ordnung massiv zu verändern und mehr und mehr eine Gegenordnung aufzubauen. Diese "Rebellion" aus dem Motiv des Hochmuts war demzufolge eine erste negative Ursache, die eine entsprechende negative Wirkung hervorbrachte. Und im Verlauf dieses "Falls" kamen nun immer weitere Ursachen und Wirkungen hinzu. Deshalb kann das "Gesetz von Saat und Ernte" eben auch als "Gesetz von Ursache und Wirkung" oder als "Kausalgesetz" bezeichnet werden. Und der Stand dieser Entwicklung weg von den großen kosmischen Ordnungen wird am Zustand dieser Welt deutlich.
Der Journalist: Sie haben bisher alle Fragen beantwortet und Sie berufen sich bei ihren Antworten auch auf Botschaften von Christus, die er nach Ihren Worten auch in unserer Zeit durch Prophetisches Wort gegeben hat. Wurde in diesen Botschaften über alle Themen gesprochen oder blieben wesentliche Fragen offen?
Der Theologe: Die Botschaften lösten das Versprechen ein, das Jesus nach den Worten des Johannesevangeliums gegeben hatte: "Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten" (Johannes 16, 12-13).
Alles Wesentliche liegt heute offen. Und die heute auch durch Prophetenwort verdeutlichte Botschaft von Christus löste genauso Widerspruch aus wie die Botschaft des Jesus von Nazareth vor 2000 Jahren tat. Und so war es auch in allen den Jahren seither.
Der Journalist: Was meinen Sie mit dem "Widerspruch"?
Der Theologe: Wenn ich noch einmal beim Vaterunser anknüpfe und der Bitte "Dein Reich komme", dann kann man das ja auch so sehen: Der Himmel soll auf die Erde kommen. Es gibt allerdings Kräfte, die das verhindern wollen und welche die Welt so erhalten wollen, wie sie in der Folge des "Sündenfalls" bis heute entstanden ist: Mit der Herrschaft von Menschen über andere Menschen, mit dem Oben und dem Unten, mit der Ausbeutung der Schöpfung für ichsüchtige Zwecke und einigem mehr. Kurz: Mit allem dem Negativen, das manche für ihre persönlichen Zwecke und für ihr Ego-Wohlleben ausnützen. Diese Kräfte betrachten den Planeten Erde als ihren Stützpunkt, den sie sich im Laufe des äonenlangen Fallgeschehens eingerichtet haben und den sie teilweise mit Zähnen und Klauen zu verteidigen versuchen.
Diesem Ziel dienen letztlich auch die Institutionen Kirche. Denn wenn Jesus, der Christus, tatsächlich noch einmal auf die Erde kommen würde, wie dort ja geglaubt wird, dann würden die kirchlichen Obrigkeiten ihm mit Sicherheit nicht folgen, denn dann wäre ja ihre Macht dahin und sie wären keine Kirchenführer mehr. Sie würden deshalb am Papstkult und dem ganzen Dogmengebäude, das sie sich in vielen Jahrhunderten ausgedacht haben, und an all´dem äußeren Schaugepränge festhalten und ihre Gläubigen weiterhin einzuschüchtern versuchen. Und dass sich Jesus der Kirche unterordnen würde, ist ausgeschlossen.
Der Journalist: Sie erwähnen das Dogmengebäude. In den katholischen Dogmen und auch in de evangelischen Bekenntnisschriften wird, wie wir bereits besprochen haben, ja auch von Verdammnis, Hölle oder ewiger Gottferne gesprochen. Die Schöpfung würde nach kirchlicher Vorstellung immer geteilt bleiben.
Der Theologe: Nach dieser Lehre wäre das so. Und durch diese Drohungen mit der ewigen Gottferne wurden ja unzählige Menschen eingeschüchtert, in Angst versetzt und von den scheinbaren Rettungsangeboten der Kirche abhängig gemacht.